Wie wir besser Trost spenden
Genehmigung der Wiedergabe auf dieser Homepage durch die Journalistin Nicole Wieden
Alles klingt gestelzt, obwohl man es doch aufrichtig meint: Kondolieren und Trösten fällt den allermeisten Menschen schwer. Zwei Trauerbegleiter der Ökumenischen Hospizgruppe Balingen erklären, wie beides angemessen gelingt. Von Nicole Wieden
Es geschieht jeden Tag, zu jeder Stunde, und das überall: Das Sterben ist eine allgegenwärtige Sache, die wir um unserer eigenen mentalen Gesundheit willen hervorragend auszublenden verstehen. Bis es den Nachbarn, Freunde oder jemanden aus der eigenen Familie trifft. Wer nicht selbst in Trauer verfällt, findet sich in einer Situation wieder, in der es heißt, die richtigen Worte gegenüber den Angehörigen zu finden, das Richtige zu tun, weder zu aufdringlich noch zu distanziert zu sein. Ein Drahtseilakt, den uns keiner lehrt.
„Der Tod ist in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabu. Dabei ist es wichtig, über ihn sprechen zu können, und Trauer als etwas Normales zu betrachten“, sagt Trauerbegleiterin Ulrike Hoch. Nach drei Jahren Erfahrung in diesem Ehrenamt, zu denen zahlreiche Begegnungen im Balinger Generationenhaus während des Trauercafés gehören, hat Hoch gelernt, was hilft – und was eben nicht.
Das erste Signal
„Sie können erstmal davon ausgehen, dass der Trauernde genauso eine Scheu hat, wie Sie selbst“, erklärt Hoch über das Zögern, wenn es darum geht, vernünftig zu kondolieren. Dass man womöglich nicht die richtigen Worte findet, spiele keine große Rolle. Stattdessen gehe es darum, zunächst einmal die persönliche Verfügbarkeit zu signalisieren, denn: „Trauernde wollen häufig nicht zur Last fallen, insbesondere nicht in der eigenen Familie“, sagt Hoch. Das sei der Grund, weshalb die Trauerangebote der Hospizgruppe Balingen eben auch von Menschen mit eigentlich stabilen sozialem Netz angenommen werden.
Verfügbarkeit lasse sich nicht nur über die klassische Kondolenzkarte kommunizieren. Genauso gut eignen sich laut Hoch einige aufrichtige Worte an der Haustüre, ein Anruf, selbstgebackener Kuchen oder vielleicht sogar eine Einladung zum gemeinsamen Essen. Letzteres mag auf den ersten Blick zwar beinahe nach zu viel des Guten wirken – auch weil eine solche Verabredung unweigerlich Gesprächsraum schafft, der gefüllt werden will. Aus Ulrike Hochs Erfahrung aber reagieren Trauernde häufig positiv auf solche Bemühungen. Wer sich wegen fehlender Worte zunächst hilflos fühlt, solle authentisch bleiben und genau das auch zum Ausdruck bringen. Ohnehin gehe es im weiteren Verlauf weniger darum, selbst etwas zu sagen, wie Ulrike Hochs Kollege, Ulrich Häfele, erklärt: „Alle sozialen Situationen bergen das Risiko, falsch zu liegen. Das ist bei der Trauer nicht anders.“ Umso wichtiger also das Zuhören, um dann angemessen reagieren zu können.
Wie auch Ulrike Hoch absolvierte Ulrich Häfele seine Qualifizierungskurse vor drei Jahren. Zur Ausbildung gehört, sich unter anderem mit Theorie aus der Sozialwissenschaft zu befassen. Sowohl Häfele als auch Hoch aber sind überzeugt, dass keines der Trauerphasenmodelle sich in der Praxis tatsächlich bewährt: „Bei den Trauerphasen wird das Modell von Verena Kast häufig erwähnt. Man darf aber nicht davon ausgehen, dass diese Phasen einfach aufeinander abfolgen“, so Ulrich Häfele über das im Internet häufig geteilte Modell der Schweizer Psychologin.
Vielmehr bewegten sich Trauernde zwischen den Phasen hin und her, erlebten auch nach Monaten unvermittelt eine Trauer, wie sie in der Theorie eigentlich schon überwunden sein müsste. Dadurch entstehe ungesunder Druck, zumal die letzte Stufe unter dem Stichwort „Loslassen“ in der Regel auf inneren Widerstand stoße: „Trauernde haben große Angst, wenn sie das Wort ‚Loslassen‘ hören“, erzählt Ulrike Hoch. „Man möchte ja eigentlich nicht, dass der Verstorbene ganz aus dem Leben verschwindet.“ Auch übergriffige Ratschläge oder die Phrase, dass die Zeit doch alle Wunden heile, erzeugten maximales Unbehagen: „Das ist ein echter Killersatz, den man nicht bringen sollte“, ergänzt Ulrich Häfele.
Kondensiert auf einen wesentlichen Ratschlag legen beide Trauerbegleiter nahe, durch gutes Zuhören die Signale eines Betroffenen ernst zu nehmen: „Trauernde sind in jeder Phase zu erreichen“, so Ulrike Hoch. „Man muss herausfinden, auf welcher Ebene sich der Mensch gerade bewegt. Und auf derselben muss man ihm dann begegnen.“
Trauercafè in neuer Geschäftsstelle
An jedem 3. Freitag im Monat findet das Trauercafè von 15-17 Uhr in den Räumlichkeiten Alter Markt 16 in Balingen statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Im November beginnt die nächste Trauergruppe, die zweimal im Jahr organisiert wird. Es handelt sich um acht Abendtermine. Hierfür ist vorab eine Anmeldung nötig, weil der Umgang mit Trauer in einer festen Gruppe erlernt wird. Anmeldung unter Telefon (0151) 41 27 07 27.
In der Hospizgruppe engagiert sich ein Team von ausgebildeten TrauerbegleiterInnen, die der Schweigepflicht unterliegen.
In Deutschland ist die Trauerausbildung nicht einheitlich geregelt und wird von unterschiedlichen Trägern angeboten, die untereinander vernetzt sind. Einen Überblick bietet der Hospiz- und Palliativverband Baden Württemberg online unter der Adresse: www.hpvbw.de.
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