Philipp (9): „Wenn jemand stirbt, ist es wie eine Pflanze, die entwurzelt wird“

Di, 24.03.2020

Die Dritt- und Viertklässler der Schörzinger Grundschule beschäftigten sich im Rahmen von „Hospiz macht Schule“ eine Woche lang mit den Themen Leiden, Sterben und Tod.

Von Daniel Seeburger

Wie gehen Kinder mit Tod und Sterben um? Diese Frage stellen sich gerade auch die Eltern. Dass die Kinder behutsam an diese Themen herangebracht werden können, zeigte ein Projekt an der Schörzinger Grundschule. Mehrere ehrenamtlich Mitarbeiterinnen der ökumenischen Hospizgruppen des Zollernalbkreises arbeiteten jeweils eine Woche lang mit den Kindern der dritten und vierten Klasse.

Tod, Leiden, Sterben sind Themen, bei denen die Erwachsenen immer wieder kapitulieren. Oft stellt man sich den entsprechenden Fragen erst, wenn man direkt damit konfrontiert wird. „Wie erkläre ich es meinem Kind“, fragen sich die Eltern dann, wenn Oma oder Opa sterben oder Mama oder Papa schwer erkrankt sind. Dass gerade die Kinder mit diesem Thema sehr unbefangen und interessiert umgehen, war eine der ersten Erkenntnisse für die Eltern der Dritt- und Viertklässler der Schörzinger Grundschule. Jeweils eine Woche lang waren ehrenamtliche Mitarbeiterinnen der Projektgruppe „Hospiz macht Schule“ der Hospizgruppen Albstadt, Balingen und Hechingen zu Gast und führten die Kinder an die Thematik heran.

Wie gespannt die Schüler waren, zeige die bemerkenswerte Tatsache, dass in diesen beiden Wochen kein Kind krank gewesen ist, erklärte eine der Mitarbeiterinnen der Projektgruppe. Das komme selten vor, bestätigte Brita Hofmann, Klassenlehrerin der vierten Klasse. Sie bedankte sich beim Hospizteam für die Bereitschaft, zusammen mit den Schörzinger Schulkindern zu arbeiten, aber auch bei Schulleiterin Elke Bartl-Riede, die dieses Projekt erst möglich gemacht habe.

Tägliche Tagebucheinträge

Ein wichtiges Element der Arbeit der Kinder war ein Tagebuch, das die Schüler täglich geschrieben haben. „Dann durften wir ein Bild über unsere Seele malen, wie sie abgeholt wird und wo sie hinkommt“, trug ein Schüler ein. An solchen Beiträgen zeigte sich die Unbefangenheit, mit dem sich die Kinder mit dem Thema beschäftigten.

In mehreren Etappen schauten die Dritt- und Viertklässler den Film „Willi will‘s wissen“ an. Hier wird das Thema Tod kindgerecht aufgearbeitet und unter anderem die Frage gestellt, was nach dem Sterben eigentlich kommt. Das, so die Antwort eines Pastoralreferenten, könne niemand sagen. Aber er glaube, dass der Tod nicht schlimm ist. Das sei die Hoffnung, die man als Mensch hat. Jeder der fünf Schultage stand unter einem anderen Motto. So beschäftigten sich die Schüler mit „Werden und Vergessen“, „ Krankheit und Leid“ oder „Sterben und Tod“. Die Themen „Vom traurig sein“ sowie „Trost und Trösten“ vervollständigten die Projektwoche.

Sterben und Tod sind ernste Themen. Das heißt aber nicht, dass man sich nur mit sauertöpfischer Miene damit beschäftigen darf. So stellten die Kinder beispielsweise Krankheiten pantomimisch dar. „Da hatten wir sehr viel Spaß“, erklärte Uschi Schneider-Haas vom Hospizteam. Die Ärztin Monika Gohminger besuchte die Klassen und beantwortete Fragen zu Krankheiten und Tod.

In fünf Gruppen mit jeweils drei Kindern wurden die Gruppenarbeiten bewerkstelligt. Vom Hospizteam mit dabei waren Birgit Schafitel-Stegmann, Henriette Werner, Sigrid Dieksander, Gudrun Karrasch, Anna Hömens, Silvia Häfele, Silke Filipello, Uschi Schneider-Haas, Monika Gohminger und Agnes Horwath.

„Wenn jemand stirbt, ist es wie eine Pflanze, die entwurzelt wird“, führte der neunjährige Philipp aus der vierten Klasse aus. Um zu zeigen, dass aus dem Tod neues Leben erwachsen kann, pflanzten die Kinder einen Bohnentrieb. Für die Eltern schrieben die Schüler einen Trostbrief.

Die Bilder, die die Kinder beispielsweise zu „Traurig sein“ malten und mit eigenen Kommentaren versahen, zeigten die philosophische Tiefe auf, mit denen die Kinder an das Thema herangingen. „Wenn ich traurig bin, ist die Welt nicht verloren“, schrieb beispielsweise Emma (9) und verdeutlichte damit in einem einzigen kleinen Satz die Individualität von Trauer.

In ihrer Arbeit mit den Kindern beherzigten die ehrenamtlichen Helferinnen unter anderem die zehn Thesen des Stuttgarter Palliativmediziners JohannChristoph Student. „Kinder brauchen das sichere Gefühl, dass ihre Fragen ehrlich beantwortet werden“, heißt es dort oder „Kinder müssen die Möglichkeit bekommen, sich von Verstorbenen zu verabschieden.“

Einem Kind müsse vermittelt werden, dass sie den Verstorbenen auf Erden nicht wiedersehen werden, so Student. Kein Kind, so der Palliativmediziner, sei zu jung, um sich von einem Toten zu verabschieden und ihn noch einmal zu sehen oder an einer Beerdigung teilzunehmen.

Die verschiedenen Lebensalter

Wie entwickelt sich der Mensch? Mehrere Fotos, die die Schüler in verschiedenen Lebensaltern zeigen, verdeutlichte den Kindern, dass die Entwicklung täglich fortschreitet und stetig auf das Lebensende zugeht. Für die Eltern, die zur Präsentation des Projekt eingeladen waren, tanzten die Kinder zum Abschluss und sangen das Lied „Einfach spitze, dass ihr da wart.“

Nicht nur die Eltern zeigten sich überaus begeistert von dem Projekt, auch für Klassenlehrerin Brita Hofmann war es eine besondere Woche. „Ich habe in meiner ganzen Schulzeit noch nie ein solch interessantes Projekt begleitet“, führte sie aus. Ihr Dank galt auch den Eltern, die ihr Einverständnis für „Hospiz macht Schule“ gegeben hatten. Sie bekamen von den Klassenlehrerinnen eine lange Bedenkzeit und stimmten schließlich alle zu. „Sie haben uns viel Vertrauen geschenkt“, erklärte Brita Hofmann.

Lob für die Mitarbeiterinnen

Sie zeigte sich voll des Lobs für die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und ihr Konzept. „Es war unglaublich toll, ich habe mir das nicht so vorgestellt“, sagte sie. Dieses Projekt bleibe in ihrem Herzen. Sie forderte ihre Schülerinnen und Schüler auf, immer achtsam miteinander umzugehen. Sie seien immer offen und kreativ gewesen bei diesem schweren Thema, „das dann doch nicht so schwer war“.

Das Projekt „Hospiz macht Schule“ ist übrigens auf Spenden angewiesen. Von der „Aktion Mensch“ hat die Initiative bereits wichtige finanzielle Unterstützung erhalten. Damit die Arbeit mit Kindern weitergehen kann, hofft die ökumenische Hospizgruppe auf weitere Spenden. Näheres gibt es auf der Homepage www.hospizmachtschule.de oder auf der Homepage der Balinger Hospizgruppe, www.hospiz-balingen.de