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Ökumenische Hospizgruppe Balingen leistet seit zwei Jahrzehnten wertvolle Arbeit
„Vieles wird wertvoller im eigenen Leben, wenn man dem Tod nicht ausweicht“, sagt Christof Seisser. Eduard Maass und Birgit Schafitel-Stegmann nicken. Alle drei sind überzeugte Hospizler seit 20 Jahren.
ROSALINDE CONZELMANN
Balingen. „Man bekommt einen anderen Blick auf das Leben“, ergänzt Eduard Maass. Er ist seit 2010 Koordinator der ökumenischen Hospizgruppe und zählt zu den Menschen der ersten Stunden. Birgit Schafitel-Stegmann und Pfarrer Christof Seisser haben die Gruppe gegründet und arbeiten seither mit Maass Hand in Hand.
Im Gespräch mit der Redaktion erinnern sich die drei Ehrenamtlichen an die Anfänge der Hospizarbeit für den Bereich Balingen, Rosenfeld und Schlichemtal vor zwei Jahrzehnten. Der Anstoß kam vom damaligen Dekan Gotthilf Baumann, der im ehemaligen Heilig-Geist-Pfarrer Franz Nagler einen Unterstützer fand. Mit dem evangelischen Seelsorger Christof Seisser und der Katholikin Birgit Schafitel-Stegmann waren schnell zwei Menschen gefunden, die bereit waren, Sterbebegleiter zu werden, eine Hospizgruppe aufzubauen und diese auch zu leiten. Auslöser für Birgit Schafitel-Stegmann, zu handeln, war die eigene leidvolle Erfahrung beim Tod ihres Vaters. „So kann man einen Menschen nicht sterben lassen“ diese bedrückende Erkenntnis veranlasste sie die Bitte Pfarrer Naglers, mitzuarbeiten, nicht auszuschlagen.
Nachdem der Protestant und die Katholikin ihren ersten Multiplikatorenkurs für Sterbebegleitung in einem Städtchen kurz vor der dänischen Grenze absolviert hatten, schrieben sie im Jahr 1996 den ersten Kurs in Balingen aus. Es meldeten sich acht Männer und Frauen aller Konfessionen, die die Ausbildung zum ehrenamtlichen Sterbebegleiter absolvierten. Das war die Geburtsstunde der Balinger Hospizarbeit, fünf Jahre später wurde der Förderverein gegründet.
Seither sind zwei Jahrzehnte ins Land gegangen, auf die alle Beteiligten mit Stolz und Freude zurückblicken. „Es hat sich viel getan“, sagt Christof Seisser. Eduard Maas gerät ins Schwärmen: „Die Entwicklung ist nur positiv verlaufen.“ Wenngleich, wie er einräumt, es am Anfang mit der Akzeptanz noch haperte. „Die Hospizarbeit war damals gesellschaftlich noch nicht so etabliert, das zeigte sich auch daran, dass viele von Sterbehelfern sprachen“, sagt Schafitel-Stegmann. „Das passiert heute aber auch noch“, meint sie. Und dabei seien Sterbebegleitung und Sterbehilfe wirklich grundverschiedene Dinge. Im vergangenen Jahr haben die Hospizler ihren zehnten Kurs durchgeführt und 42 Begleitungen gemacht. 60 Prozent finden in Pflegeeinrichtungen statt, 40 Prozent in der Familie. Mit derzeit 61 ehrenamtlichen Sterbebegleitern ist die Gruppe gut aufgestellt. Was auch notwendig ist, denn die Nachfrage steigt. „Die Menschen werden älter und einsamer“, gibt Seisser seinen Eindruck wieder.
Landesweit zeichnet sich die Balinger Hospizgruppe durch ihre Beständigkeit aus. „Wir sind die Einzigen, die seit 20 Jahren unter derselben Leitung arbeiten“, informiert Maass. Positiv aus der Reihe scheren sie auch aus, was die Arbeitsteilung betrifft: Die Koordination, die Leitung und die Ausbildung sind auf mehrere Schultern verteilt. Zugute kommt dem Führungstrio dabei das vertrauensvolle Miteinander. „Die Chemie muss halt auch stimmen“, bringt es Seisser auf den Punkt. Apropos Kontinuität. Die dürfte auch die kommenden Jahre gewährleistet sein. Denn Seisser, Schafitel-Stegmann und Maass haben ihr verantwortungsbewusstes Ehrenamt als junge Menschen begonnen und sind mit ungebrochenem Elan dabei. Das liegt auch daran, dass die Hospizarbeit zwar viel Kraft kostet, für die Sterbegleiter aber auch eine Kraftquelle ist. „Es ist nicht nur ein Geben, wir bekommen unheimlich viel zurück“, sagt Schafitel-Stegmann. Deshalb denken weder sie noch ihre Mitstreiter ans Aufhören. „Ich höre erst auf, wenn ich sterbe“, verkündet Maass mit einem Augenzwinkern, das seine Mitstreiter mit einem Lächeln quittieren. Und vielleicht wird ihr aller Wunschtraum die Gründung eines Hospizhauses in ihrer Amtszeit noch Wirklichkeit.
Aus: Zollern-Alb-Kurier vom 9.4.2016. Wiedergabe des Artikels mit freundlicher Genehmigung des Verlages.